Nachfrage zum Untersuchungsergebnis Ringschluss
28. Mai 2021Rede zum Doppelhaushalt 2022/2023
28. Oktober 20213. Oktober 2021 – Oberbürgermeister Christoph Traub Zum Tag der Deutschen Einheit 2021
Die Worte dieser Woche sind Aufarbeitung, Schlusspunkt, Ausloten, Aufbruch, Macht und Möglichkeiten. Der kommende Sonntag setzt den Schlagworten der vergangenen Bundestagswahl einen Begriff entgegen: Einheit
Seit 31 Jahren begehen wir jährlich am 3. Oktober den Tag der Deutschen Einheit.
Einheit! Das Wort an sich ist schon ein bedeutungsschwerer Begriff. Wie damit umgehen, wenn er auf ein ganzes Land und damit das große Ganze abstellt? Und wie den Wert dieser Einheit begreifen, wenn mittlerweile viele von uns unser gemeinsames Land nur in dieser Einheit kennt? Einheit! Stellt sich der Trennung, dem Getrenntsein entgegen.
Einheit! Funktioniert nur dann, wenn man nach dem fragt, was ursprünglich zusammengeführt hat und worin die Stärke des Gemeinsamen liegt.
Einheit! Verstehen wir die Bedeutung und den Wert der Einheit, wenn wir uns die Zeit der Trennung und den Grund dessen, was einst zur Teilung führte nicht bewusst machen?
Der vom nationalsozialistischen Deutschland entfachte Krieg hat nach der Niederlage letztlich zur Teilung und zu zwei getrennten deutschen Staaten geführt. Vier Jahrzehnte dauerte diese Trennung in Bundesrepublik Deutschland (BRD) und Deutsche Demokratische Republik (DDR) an.
Während die BRD von einer freiheitlichen Demokratie geprägt war, herrschte in der DDR das Machtmonopol der einen Partei SED.
Eine Bewegung aus Bürger*innen stellte sich 1989 der Unfreiheit entgegen, mutig und gewaltfrei. Es ging nicht schnell und dennoch kam mit der unbeabsichtigten Erklärung „…ähh, sofort, unverzüglich.“ die Mauer zu Fall.
Montagsgebete, der Wunsch nach Freiheit und das Ziel eines von demokratischer Mitwirkung geprägten Staates haben die eisernen Grenzen geöffnet. Todesstreifen, Schlagbaum und Grenzkontrollen waren Geschichte. Schnell wurde aus dem Ruf „Wir sind das Volk!“ die Formulierung „Wir sind ein Volk!“
Zwischen Einigungsvertrag, Aufbau und Aufarbeitung scheint uns der gemeinsame Blick auf Solidarität, ein gemeinsames Weltbild und Zufriedenheit verlorengegangen zu sein.
Keine Frage, die in der Geschichte verankerten Unterschiede sind noch lange nicht vollständig ausgeglichen. Ein derart improvisierter und ohne gleiches Vorbild umgesetzter Staatenzusammenschluss kann auch nicht ohne Fehler verlaufen sein.
Aber wieviel größer ist doch die Leistung vieler Menschen, damals wie heute, die aus einem angstgeprägten und vom Kalten Krieg erstarrten Europa in ein geeintes Deutschland geführt haben, das heute durch viele Krisen der Welt für Stabilität, Frieden, Freiheit und Vielfalt steht. Ich erwähne auch und gesondert den über Generationen hinweg erarbeiteten Wohlstand, auch wenn dieser nicht alle in gleichem Maß erreicht.
Schon deshalb brauchen die überwundene Trennung und die formal abgeschlossene Einheit – in allen Lebensbereichen – eine dauerhafte Fortsetzung an Solidarität, gegenseitiger Achtung und Aufmerksamkeit.
Ich wünsche uns allen, dass es uns über den kommenden Sonntag hinaus gelingt, in Deutschland, in Filderstadt und in unserer Gesellschaft den Wert dessen zu erkennen, was uns eint und das zu überwinden, was uns trennt.
Ihr
Christoph Traub
Oberbürgermeister